Nachhaltigkeit gibt es nur barrierefrei

Kein Tag vergeht, an dem man nicht diesem Wort begegnet: nachhaltig. Mittlerweile soll alles nachhaltig sein oder zumindest nachhaltig werden. Schon seit Jahren regt sich mein Vater bei mir darüber auf, dass dieses Wort plötzlich überall ist. Mittlerweile verstehe ich ihn. Aber nur, weil ein zentraler Punkt dabei oft vernachlässigt wird.


Wobei, eigentlich handelt es sich dabei oft nur um eine Worthülse. Nachhaltig wird mittlerweile als Etikett auf alles Mögliche geklebt. Die Bandbreite reicht dabei von Plastiktüten mit höherem Recycling-Anteil bis zu Häusern aus Strohballen.

Schöne neue Nachhaltigkeits-Welt

Neben meiner Selbständigkeit arbeite ich noch ein paar Stunden pro Woche im Berliner Architekturbüro Spreeplan Projekt. Dort arbeiten wir wirklich nachhaltig: nachwachsende, ökologische Rohstoffe – bewährte Bauweisen – Verzicht auf längst überholte Standard-Lösungen. Heizkörper, wie Du sie vermutlich kennst, sind nämlich zum Beispiel längst nicht die ideale Möglichkeit, um einen Raum zu beheizen. Stattdessen sind Wand- und Deckenflächenheizungen nicht nur energiesparender sondern auch wesentlich angenehmer fürs Raumklima.

Und weil bei der Spreeplan nicht nur Nachhaltigkeit drauf steht sondern auch Nachhaltigkeit drin steckt, erhalten wir übrigens den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2025 in der Kategorie Architektur und Bauingenieurwesen!

Wir verzichten natürlich auch auf Materialien, die in wenigen Jahren als gefährlicher Abfall deponiert oder aufwendig behandelt und verbrannt werden müssen. Während und nach dem Studium war ich in der Schadstoff-Branche unterwegs. Aus dieser Zeit weiß ich, dass nicht nur Asbest ein Problem bei der Entsorgung ist, sondern auch vermeintlich unproblematische Materialien wie Mineralwolle oder Styropor-Dämmung, die heutzutage verbaut werden.

Viel zu oft bezieht sich, gerade in der Architektur, der Begriff Nachhaltigkeit nur auf die Auswahl von Materialien und Bauweisen. Wie nachhaltig es wirklich ist, ein Haus aus Energiespar-Gründen in Plastik einzupacken, wird sich in einigen Jahren zeigen. Mit meiner bisherigen Erfahrung kann ich aber sagen: Nachhaltigkeit sieht anders aus.

Genauso gravierend finde ich aber, dass bei Nachhaltigkeit die Barrierefreiheit oft nicht mitbedacht wird. Nachhaltig geht nur barrierefrei, das habe ich schon Anfang Februar 2021 in meinem Blog geschrieben. Weil sich seitdem an meiner Einschätzung nichts geändert hat, greife ich das für den Podcast noch einmal auf und setze dir diesen Gedanken direkt ins Ohr: Nachhaltigkeit gibt es nur barrierefrei. Oder andersherum:

Was nicht barrierefrei ist, kann nicht nachhaltig sein

Nachhaltiges Bauen bedeutet mehr als ressourcenschonend und energieeffizient bauen. Es bedeutet auch, dass ein Gebäude langlebig ist und sich den verschiedenen Nutzungen anpasst. Und genau das ist nur möglich, wenn das Gebäude auch barrierefrei ist.

Das nachträgliche Abbauen von Barrieren ist mühsam und teuer. Vor allem widerspricht es dem Nachhaltigkeits-Gedanken. Denn nachhaltig bedeutet ja, etwas jetzt richtig zu machen. Jede Ressource, die jetzt eingesetzt wird, soll so lange wie möglich Bestand haben. Was bringt mir ein modernes Holzhaus, wenn ich es wegen fehlender Barrierefreiheit in 10 Jahren aufwändig umbauen muss?

Nachhaltig bauen heißt für die Zukunft bauen.

Barrierefrei bauen heißt für die Zukunft bauen.

Die soziale und ökonomische Komponente

Neben den ökologischen Faktoren beinhaltet Nachhaltigkeit auch soziale und ökonomische Aspekte. Und genau an dieser Stelle schließt sich Barrierefreiheit an. Denn dadurch wird die allgemeine und gleiche Teilhabe aller Menschen, wie sie als Inklusion das Ziel unserer Gesellschaft sein sollte, überhaupt erst ermöglicht.

Bauen mit Barrieren ist unsozial und kann daher nicht nachhaltig sein.

Wenn Barrierefreiheit erst nachträglich erreicht werden soll, bedeutet das vor allem eins: höhere Kosten. Und überall dort, wo es bisher noch Barrieren gibt, müssen diese in Zukunft abgebaut werden. Eine alternde Gesellschaft bedeutet auch einen höheren Bedarf an barrierefreien Lösungen.

Bauen mit Barrieren vergrößert die Kosten und verschiebt sie in die Zukunft. Das ist nicht nachhaltig.

Wer Nachhaltigkeit will, muss Barrierefreiheit schaffen

Wenn wir in Zukunft dem Wörtchen nachhaltig begegnen, sollten wir beide, Du und ich, fragen: Und wie sieht es mit der Barrierefreiheit aus? Wie nachhaltig ist das Bauvorhaben? Oder ist es nur ökologisch, nicht aber auch sozial und ökonomisch nachhaltig?

Diese Frage stellt sich auch für alle, die ein eigenes Haus neu oder umbauen. Baust Du nur ökologisch nachhaltig oder wirklich nachhaltig? Schont Dein Haus die natürlichen Ressourcen und ist es zugleich ein unbeschwertes Zuhause fürs ganze Leben? Denn nur wenn Dein Zuhause barrierefrei ist, kann es Dein Zuhause fürs ganze Leben sein – auch im Alter, bei Krankheit oder im Fall einer Behinderung.

Dass das eine nicht ohne das andere geht, spiegelt sich auch in den Anforderungen der großen Nachhaltigkeits-Zertifizierungs-Programme wieder. Damit ein Gebäude eine DGNB-Zertifizierung erhält, muss Barrierefreiheit berücksichtigt werden. Es handelt sich um ein KO-Kriterium!

Auch im QNG-Programm spielt Barrierefreiheit eine Rolle. Denn in Zeiten einer alternden Gesellschaft ist bereits jetzt absehbar, dass der Bedarf nach barrierefreier Gestaltung in zunehmendem Tempo steigen wird. Um echte Nachhaltigkeit zu erreichen, muss dieser Fakt berücksichtigt und Barrierefreiheit umgesetzt, mindestens jedoch vorbereitet werden.

In einem späteren Beitrag, gehe ich gern noch mal näher auf die Zertifizierungsprogramme ein. Falls du vorher schon drängende Fragen zu dem Thema hast oder meine Unterstützung benötigst, schreib mir doch ganz unkompliziert eine E-Mail an Martin@EineBarriereWeniger.de

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